Geld

Geld

Fast natürlich scheint heutzutage jegliches Wirtschaften mit Geld verbunden zu sein. Häufig wird Geld dabei als Tauschmittel definiert, das die Tauschverhältnisse zwischen verschiedenen Waren in einer Gesellschaft ausdrücken soll. Die Standarderklärung aus wirtschaftswissenschaftlichen Einführungswerken lautet meist, dass der direkte Tausch von Waren zu unpraktisch wäre und dass das Geld deshalb erfunden wurde, um diese Lücke zu füllen und den Tausch zu vereinfachen. Das Prinzip: wenn eine Person am Tag drei Fische fängt und sie gegen eine Pizza tauschen möchte, müsste diese Personen erst umständlich jemanden finden, der*die gerade genau diesen Bedarf hat – sonst wäre ein Handel gar nicht möglich. Viel praktischer wäre es jedoch, die Fische gegen Geld einzutauschen, denn dieses verallgemeinerte Tauschmittel könne gehortet werden (Wertaufbewahrungsmittel), genutzt werden, um den Wert eines Produkts zu messen (Wertmesser und Recheneinheit), gegen alle andere Waren eingetauscht werden (allgemeines Tausch- und Zahlungsmittel) und es ermögliche das Verleihen von Geld als Kredit- und Investitionsmittel (Wertübertragungsmittel).

Diese Darstellung wird zwar heute noch immer unterrichtet, sie wurde jedoch längst widerlegt: wie Graeber klarstellte (und andere vor ihm, wie bspw. Alfred Mitchell-Innes 1913), gibt es keinen anthropologischen Beweis für Gesellschaften, die zuerst Tauschhandel (Ware-gegen-Ware) betrieben und dann Geld als Tauschmittel und schließlich Geld als Kreditmittel entwickelten. Vielmehr sei es in der Menschheitsgeschichte anders herum abgelaufen: zuerst gab es Formen des Kredits, dann Geld, dann Tauschhandel. So zeigen ethnologische Forschungsergebnisse, dass es eine fiktive Kreditführung schon weitaus länger gab als Geld in der heutigen Form. Ein Beispiel: Stelle dir vor, Du wärst ein Mitglied einer Gesellschaft von überschaubarer Größe. Du möchtest eine vegane Pizza essen, hast jedoch kein Buchweizen als Tauschmittel, also gehst Du zum Nachbarn und leihst Dir die Pizza aus. Du nimmst Schulden auf Dich: Dein*Deine Nachbar*in und Du werden sich daran erinnern, dass Du Deinem*Deiner Nachbar*in noch etwas schuldest, was Du im Zuge der zukünftigen Buchweizenernte begleichen wirst.

Zur Geschichte des Geldes, siehe Graeber (2012), insbesondere S. 27-48… oder als Video: https://www.youtube.com/watch?v=F1i8HDOzlg8 (01.03.2018)

Nehmen wir die Menschheitsgeschichte als Ausgangspunkt, ((D.h. nicht die fiktiven Erzählungen über die Entstehung des Geldes, die viele Ökonom*innen – besonders die im Mainstream verankerten – pflegen.)) müssen wir feststellen, dass Geld nicht als Tauschmittel eingeführt wurde – es war eine Begleiterscheinung staatlicher Machtausübung: so brauchten bspw. Staaten ein allgemeines Tauschmittel für die Bezahlung ihrer nicht-produktiven Armeen oder für staatliche Umverteilungsmaßnahmen. Die Verwendung von Geld als Tauschmittel war somit historisch an Vertrauen in den Staat/Herrscher gebunden, der es ausstellte bzw. in der Form von Steuern einforderte.

Für dieses Argument: Graeber (2012), insbesondere S. 49-78

Der Tauschhandel von Güter gegen Güter ist wiederum eine Erscheinung, die typisch für Gesellschaften ist, die vormals Geld als Tauschmittel benutzten und in denen dann zeitweise das Vertrauen in die Währung verloren ging. Der direkte Tauschhandel von Gütern ist somit nicht ein Merkmal vermeintlich „primitiver“-archaischer, sondern moderner Gesellschaften (das beliebte Beispiel von Zigaretten als Währung in Nachkriegszuständen und Gefängnissen ist hier anzuführen).

Geld in der heutigen Form ist keine willkürlich entstandene Lösung eines lokalen Tauschproblems, sondern mit Staatlichkeit und Vertrauen in diese Herrschaftsform verbunden. ((Was umgekehrt nicht bedeutet, das Geld immer mit einer vom Staat ausgehenden Machtausübung einhergehen muss. Nicht zuletzt die Finanzkrise der 2000er Jahre zeigte, das die Geldform ebenso destabilisierend auf Staaten wirken kann. Gemeint ist hier, dass Geld kein neutrales Ding ist, sondern in einen Zusammenhang mit Staat und Herrschaft gesetzt werden muss. Auch Kryptowährungen wie BitCoin ändern an diesem Zusammenhang zwischen Vertrauen, Macht und Geld prinzipiell wenig – auch wenn die mit solchen Währungen einhergehende Transparenz und die Geschwindigkeit, in der sie digital gehandelt werden können, sicherlich andere Potenziale hinsichtlich möglicher Verwendungsformen, Kontrollen und Wertschwankungen mit sich bringen. Die wirtschaftsgeographischen Implikationen von Kryptowährungen wären allerdings ein spannendes Forschungsfeld…))

Literatur

Graeber, D. (2012): Schulden. Die ersten 5000 Jahre. Stuttgart: Klett-Cotta.