Märkte & Staatlichkeit

Märkte & Staatlichkeit

Der Markt, also der Ort des Zusammentreffens von Nachfrager*innen und Anbieter*innen unter Vermittlung des Tauschmittels Geld, ist kein „natürliches“ Gebilde, sondern eng mit dem Prinzip der Staatlichkeit verknüpft. Staaten brauchen Geld, um Steuern einzutreiben und die Konstruktion des Geldes ist wiederum Voraussetzung für Märkte in ihrer heutigen Form. Außerdem schützt der Staat das Eigentum und legt per Gesetz die Spielregeln des Marktes fest. Andererseits findet auch der Staat nicht abseits des Marktes statt. Öffentliche Institutionen folgen in mehr oder weniger starkem Ausmaß marktförmigen Logiken. Trotz aller Überschneidungen und Abhängigkeiten wird der Markt oft als klar abgrenzbarer Gegenpol des Staates dargestellt.

Staatliche Institutionen sind jedoch nicht das Gegenteil des Marktes: Vielmehr gibt es unzählige verschiedene Formen von Märkten sowie Markt- und anderweitigen, bspw. sozial-staatlichen, Logiken.

Vergleichen wir vielfältige Beispiele wie den Arbeitsmarkt für Pflegekräfte, die Wohnungsmärkte in Berlin, die Frankfurter Börse oder den Wochenmarkt auf dem Leopoldplatz so fällt auf, dass es „den Markt“ überhaupt nicht gibt – es gibt Märkte, in denen sich auf unterschiedliche Weisen kapitalistische, renten-basierte oder solidarische Logiken durchsetzen.

Staatlichkeit beginnt nicht dort, wo öffentliches Eigentum vorliegt – genauso wenig wie Marktförmigkeit und Kapitalzentriertheit dort aufhören, wo Eigentum nicht (mehr) in privater Hand liegt. Statt also auf Gegensätze wie diese Wert zu legen, sollte in konkreten Kontexten darauf geschaut werden, wie wirtschaftliche Transaktionen ablaufen und welche Mechanismen die Preisbildung sowie den Zugang zu und den Ausschluss von Waren beeinflussen.

Es gibt staatliche Institutionen, wie die öffentliche Wohnungsbaugesellschaft ABG in Frankfurt, die so sehr privatwirtschaftlich und gewinn-orientiert handeln, dass es beinahe irrelevant wirkt, dass sie sich formell in Staatshand befinden. Für dieses Beispiel, siehe die Kampagne „Wem gehört die ABG?“: http://www.autistici.org/abgkampagne/?page_id=1314 (05-03-2018)

Abgesehen davon, dass Märkte sehr verschiedenartig gebildet werden können, sollte zudem beachtet werden, dass nicht alle wirtschaftlichen Transaktionen überhaupt auf Märkten stattfinden. Eine markt-zentrierte Betrachtung von Produktions- und Konsumptionsprozessen vernachlässigt Tätigkeiten wie die meist geschlechter-ungleichverteilte Familienarbeit, unbezahlte Arbeit (von Kindern, innerhalb von Familien oder die Arbeit von Versklavten) und von Plattform-Unternehmen vereinnahmte Nicht-Arbeitstätigkeiten (wie das Posten auf Facebook, das Teilen von Youtube-Videos usw.).

Hierzu siehe Gibson-Graham (2006), S. 53-100.

Wirtschaftsgeographien müssen sich jedoch auch diesen vor- und nachgelagerten Bestandteilen von wirtschaftlichen Prozessen widmen, wenn sie das Funktionieren von Wirtschaftszusammenhängen richtig analysieren möchten.

Literatur

Gibson-Graham, J.K. (2006): A Postcapitalist Politics. Minneapolis: University of Minnesota Press.